Artikel ZSZ Beugiareal 19.1.17

ZürichseeZeitung 19. Januar 2017

Dorfzentrum

Zuerst gab es nur eine Variante, wie das Areal des früheren Altersheims Beugi genutzt werden soll. Jetzt sind es drei, aus denen die Stimmberechtigten wählen können. Sie müssen dabei weit in die Zukunft schauen.

Der Zolliker Gemeinderat könnte in der Zentrumsentwicklung dem­nächst zu einem Marschhalt gezwungen werden. Hart umkämpft ist zurzeit das Bauland mitten im Dorf, das dank des nicht mehr benötigten Altersheims Beugi frei wird. Am 22. März wird ein Entscheid fallen, in welche Richtung es weitergeht. An diesem Tag befindet die Gemeindeversammlung über zwei Ini­tiativen, die in Widerspruch stehen zu jenem Projekt, das der ­Gemeinderat in den vergangenen Jahren mit Zustimmung der Zol­li­ker vorangetrieben hat.

Eine gewisse Unruhe war dar­um am Dienstagabend spürbar, als rund 120 Personen der Einladung des Gemeinderats folgten. Gemeinsam mit den Initianten nahm dieser im Gemeindesaal eine Auslegeordnung vor. Zurzeit gibt es drei Varianten für das 6200 Quadratmeter grosse Gebiet: jene der Gemeinde, jene von Initiant Stephan Brändli vom Forum 5W und jene von Initiant und Alt- ­Gemeinderat Jürg Widmer (SVP).

In der Diskussion zeigte sich rasch: Die Meinungen im Saal ­waren äusserst kontrovers. Kritische Anmerkungen gab es zu allen Vorhaben – sowohl aus dem Publikum als auch vonsei­ten des Gemeinderats und der Initianten.

 

Projekt der Gemeinde: Ein Investor baut, Coop zieht ein

Ursprünglich gab es nur eine Variante für das Zolli­ker Dorfzentrum: Die Zolli­ker Stimm­berechtigten hatten Mitte 2015 den Gemeinderat damit beauftragt, ein Projekt für das Beugi-Areal auszuarbeiten. Zu diesem Zweck sprach die Gemeindeversammlung einen Planungskredit von 690 000 Franken. Seither hat sich einiges getan: So liegt ein Entwurf eines Gestaltungsplans vor, der den rechtlichen Rahmen absteckt für fünf Bauten mit rund 60 Mietwohnungen, Gewerbeflächen im Parterre, einer Tiefgarage sowie einem Grossverteiler im Untergeschoss. Der voraussichtliche Mietzins einer 3½-Zimmer-Wohnung soll 2200 bis 2400 Franken betragen. Die Überbauung wäre im Idealfall bis 2021 fertig.

Bauen will die Gemeinde nicht selber. Sie möchte das Areal im Baurecht abgeben und hat dazu einen Investor suchen lassen. Der Vertrag mit diesem soll 82 Jahre lang gelten. Die Gemeinde würde einen jährlichen Baurechtszins von einer Million Franken einnehmen. Gemeindepräsidentin Katha­rina Kull-Benz (FDP) liess am Informationsabend durchblicken, dass die Suche schon weit fortgeschritten ist: «Es sind noch zwei Anbieter im Rennen», sagte sie.

Der Gemeinderat hat auch ­bereits einen Interessenten für die Ladenfläche: Mit Coop hat die Behörde einen Vorvertrag abgeschlossen. Dazu gab es kritische Fragen: So wollte jemand wissen, weshalb der Vertrag ­vorab auf zehn Jahre beschränkt sei, und was passiere, wenn der Grossverteiler nach 25 Jahren wieder ausziehe. Die Antwort der Behörde: Der Baurechtsnehmer habe die Verpflichtung, immer einen Grossverteiler im Unter­geschoss einzumieten. Sorge bereitete einigen Anwesenden auch das Verkehrsaufkommen, speziell auf der Zollikerstrasse, die als Zufahrt zur Tiefgarage und zum Coop dient.

Projekt Brändli: Die Gemeinde baut, Coop zieht ein

Gar nicht angetan von den Plänen der Gemeinde ist Stephan Brändli vom Forum 5W, einem kommunalen Verein, der sich als Alternative zu den Ortsparteien sieht. Ihn stören drei Punkte: Die Dauer des Baurechtsvertrags sei zu lange. Ursprünglich seien nur 66 Jahre vorgesehen ge­wesen, sagte er an der Informationsveranstaltung. Auch die Entschädigung für den sogenannten Heimfall findet er stossend. Wenn die Überbauung nach 82 Jahren wieder in die Hände der Gemeinde übergeht, muss Zolli­kon dem Investor 80 Prozent des aktuellen Werts zahlen. Weiter kritisiert Brändli, dass die Gemeinde den Architekturwettbewerb nicht selber durchführt, sondern dies dem Baurechtsnehmer überlässt. Sein Fazit: «Die Gemeinde darf die Liegenschaft im Dorfzentrum nicht aus den Händen geben.»

 

Brändli schlägt vor, dass die Gemeinde das Areal selber bebaut, und etwa so, wie sie es schon heute vorsieht: mit Mietwohnungen, Tiefgarage und Flächen für Coop und Gewerbe. Das ermögliche ihr grösstmög­liche Flexibilität, was wichtig sei. Denn: «Heute kennt niemand unsere künftigen Bedürfnisse.»

Gestützt auf eine eigens dafür in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie sagte das Mitglied der Zolliker Rechnungsprüfungskommission: «Eine Überbauung in Eigenregie ist finan­zierbar.» Renditen und Risiken seien gut abschätzbar. Dem widersprach Finanzvorstand Urs Fellmann (FDP). Er rechnete vor, dass es bei Investitionskosten von rund 55 Millionen Franken 70 Jahre dauern würde, bis die Schulden getilgt seien. Seine Kalkulation zogen allerdings mehrere Anwesende in Zweifel, sie wurde sogar als tendenziös bezeichnet. Fellmann verteidigte weiter die verlängerte Dauer des Baurechtsvertrags: Dank dieser sei es einfacher, gute Investoren zu finden.

Initiative Widmer: Genossenschaft baut, Coop kommt nicht

Eine dritte Variante stellte Alt- Gemeinderat Jürg Widmer (SVP) vor. «Wir haben das Gefühl, dass der Gemeinderat die Bedenken der Bevölkerung nicht richtig aufgenommen hat», sagte er. Der Vizepräsident der Neuen Baugenossenschaft Zolli­kon sprach im Namen aller fünf Baugenossenschaften im Dorf. Diese wollen den Gemeinderat dazu verpflichten, das Beugi-Areal im Baurecht an die Genossenschaften abzugeben. «Es ist ein zentral gelegenes Areal, und es wäre schade, wenn wir es falsch bebauen würden», sagt Widmer. Konkret heisst das: Die Zolli­ker Genossenschaften sollen auf dem Areal preisgünstige Wohnungen erstellen können, etwa für Familien und Senioren.

 

Gemeindepräsidentin Katharina Kull-Benz fand diese Forderung offenbar etwas vermessen: «Die Baugenossenschaften möchten nicht in Konkurrenz zu anderen Anbietern stehen und verlangen, dass das Gelände exklu­siv an sie abgegeben wird», umschrieb sie das Anliegen der Initianten. Demgegenüber habe der Gemeinderat ein anderes Ziel: «Wir müssen die beste Lösung für die gesamte Bevöl­kerung finden.» Zu reden gab auch, dass Widmer auf den Coop verzichten möchte – anders als die ­Gemeinde und Brändli. Da mit dem Grossverteiler jeder zum Einkaufen in die Tiefgarage ­fahre, werde sich niemand mehr im Dorf selber aufhalten. «Der Dorf­platz wird dadurch entvölkert», sagte Widmer und sprach dabei vom «Zumiker Effekt».

Das Umgekehrte sei der Fall, lautete das Argument der anderen Seite: Ohne Grossverteiler werde das Zentrum verwaisen. Finanzvorstand Fellmann machte zudem darauf aufmerksam, dass mit Widmers Variante die Einnahmen der Gemeinde tiefer ausfallen würden, da die Genossenschaften einen vergünstigten Baurechtszins verlangten. (Zürichsee-Zeitung)

Erstellt: 19.01.2017, 11:18 Uhr

 

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